Die meisten Autoren sind sich einig, dass es nicht so sehr die Beliebtheit der Taliban war, sondern die Unbeliebtheit und das Versagen. Zu den vielfältigen Fehlern des Westens folgt ein eigener Beitrag, hier erwähne ich einige Artikel, die mir das Verständnis erleichtert haben:
Armee ohne Glauben
Joachim Käppner fasst in der Süddeutschen Zeitung die Probleme der Armee passend zusammen. Die Armee litt „stets unter Rekrutenmangel, Vetternwirtschaft bei der Besetzung hoher Kommandoposten, internen ethnischen Spannungen und schlechter Bezahlung. Ein erhebli-cher Teil der neuen Soldaten kehrte gleich nach dem ersten Heimaturlaub nicht mehr zurück. Die Soldaten waren oft schlecht ausgerüstet, nicht selten litten sie zeitweilig sogar an Hunger, mit allen Folgen solcher Missstände für die Moral vieler Einheiten.“
Korrupte Zentralregierung und kriminelle Warlords
Die Titelgeschichte des SPIEGELS vom 21. August 2021 listet eindrucksvoll auf, dass Korruption und Misswirtschaft für den ganzen Staat galt. Warlords, die für viel Leid verantwortlich waren, kamen an die Schaltstellen der Macht, Wahlbetrug und Vergehen des Präsidenten Karzais wurden verschwiegen
Im Essay von Christian Neef wird ein Dorfrat zitiert dessen Einschätzung stellvertretend für viele stehen dürfte: "Der Westen ist gekommen, um sich selbst zu helfen. Es geht um das Geld nicht wegen unserer Armut, sondern aus Angst vor den Terroristen.“
Unter den neuen Herren
Andreas Böhm verweist in der ZEIT darauf, dass die Taliban von der Wut über das Staatsversagen profitierten. Sie entwickelten trotz militärischer Rückschläge und interner Fraktionskämpfe rasch eine effektive strategische Mischung aus Terror, Verhandlungen und Lockmitteln. Durch die Eröffnung eines Verhandlungsbüros in Katar sind sie seit 2013 salonfähig geworden.
Böhm verweist auf einen weiteren Aspekt: Rund zwei Drittel der geschätzten 37 Millionen Afghaninnen sind jünger als 25. Sie sind oft unter Kriegsbedingungen und mit einem gehörigen Misstrauen gegenüber westlichen Versprechungen aufgewachsen.
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